Naturschutzrelevante Verfahrens- und Qualitätsstandards bei ForstBW im Hinblick auf Alt- und Totholz (AuT-Konzept ForstBW)

Das Alt- und Totholzkonzept (AuT-Konzept) formuliert naturschutzfachliche Standards für die Waldbewirtschaftung. Es berücksichtigt dabei Erfordernisse der Arbeitssicherheit und -organisation, der Verkehrssicherung und des Waldschutzes. Das AuT-Konzept (2016) ist im Staatswald seit 2010 verbindlich umzusetzen. Im Körperschafts- und Privatwald ist über die Möglichkeit zur Umsetzung zu informieren, die Entscheidung über eine Umsetzung trifft jedoch der Eigentümer (Einführungserlass vom 26.02.2010, Az. 52-8850.28).

 

Standards AuT-Konzept:

  1. Belassen geschützter Einzelbäume:

     

    • Bekannte (Groß-)Höhlen und (Groß-)Horstbäume sowie Bäume mit bekannten Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie mit geringem Aktionsradius (z.B. Reservoirbäume des Heldbocks) oder von europäischen Vogelarten dürfen in der Regel auch außerhalb von Waldrefugien und Habitatbaumgruppen nicht genutzt werden.

  2. Ausweisen, Markieren und Belassen von Habitatbaumgruppen (HBG):

     


    a) qualitativ/ verfahrenstechnisch

     

    • Die Ausweisung von HBG erfolgt vorwiegend in Hauptnutzungsbeständen und im Dauerwald, da in diesen Beständen starke Bäume, die häufig Träger von Mikrohabitaten sind, vorhanden sind. HBG können auch in Altdurchforstungsbeständen und in jüngeren Beständen ausgewiesen werden, insbesondere wenn dort Habitatbäume mit Mikrohabitaten vorhanden und/oder Artenvorkommen bekannt sind. Da insbesondere nadelbaumdominierte Althölzer häufig wenige Mischbaumarten aufweisen, ist eine Auswahl von HBG bereits in jüngeren Beständen (Sicherung der Laubbaumanteile und des Habitatbaumpotentials!) sinnvoll.

    • Entscheidendes Kriterium für die Auswahl einer HBG ist das Vorhandensein von sog. Mikrohabitaten wie z.B. Höhlen, Horste, starkes Kronentotholz, starker Bewuchs der Bäume mit Epiphyten (z.B. Efeu, Flechten, Moose), Risse, freiliegendes Splintholz, Pilze oder Mulmhöhlen (FVA, 2012a). Diese Mikrohabitate sind Lebensraum für charakteristische Arten alter, absterbender oder toter Bäume. Bekannte Vorkommen dieser Arten sind in wesentlichen Anteilen in die Auswahl von HBG miteinzubeziehen.

    • Entsprechend dem Konzept sollen die HBG durch die Revierleitenden oder Funktionsbeamten und -beamtinnen jeweils im Zuge des Holzanweisens ausgewiesen werden.

    • Die HBG sind nach ihrer Auswahl im Bestand deutlich sichtbar zu markieren (Arbeitsschutz!), indem die Randbäume mit einer umlaufenden weißen, hellblauen oder blauen Wellenlinie gekennzeichnet werden. Zwei zusätzliche senkrechte Striche
      kennzeichnen an den Randbäumen der HBG den Verlauf der Außenseite. Die geographischen Koordinaten sowie Sachdaten zur HBG müssen erfasst und dokumentiert werden (PSION/Tablet). Weitere Informationen zur Ausweisung und Markierung finden sich in der Praxishilfe „Auswahl und Markierung von Habitatbaumgruppen“ (FVA 2018).

    • Die Bäume der HBG bleiben bis zum natürlichen Absterben und ihrer vollständigen Zersetzung auf der Fläche. Ausnahmen können sich aus den Erfordernissen der Arbeitssicherheit, der Verkehrssicherung oder des Waldschutzes ergeben. In diesen Fällen verbleibt das Holz als liegendes Totholz im Bestand.


b) quantitativ

  • In den Hauptnutzungs- und Dauerwaldbeständen wird eine Ausstattung von 1 HBG je 3 Hektar angestrebt.

  • HBG sollten im Mittel rund 15 Bäume umfassen, wobei die Baumzahl je HBG abhängig von Baumart/Waldtyp, Alter, Standraum, Verteilung strukturreicher Einzelbäume und anderen Faktoren schwanken kann.

  • Landesweit sollen die HBG bis 2020 eine angestrebte Flächengröße von insgesamt 2.300 ha einnehmen. Das entspricht bei einer Kronenschirmfläche von 50 m² je Baum einer Anzahl von 460.000 Bäumen insgesamt.


Ausweisen von Waldrefugien:

a) qualitativ/verfahrenstechnisch

  • Waldrefugien sind Bestände oder Bestandesteile von 1-3 ha Größe, in
    denen mit dem Ziel der Anreicherung von Alt- und Totholz keine weitere forstliche Nutzung mehr erfolgt.

  • Die Waldrefugien werden durch die Forsteinrichtung bestandesscharf abgegrenzt und erfasst, die Grundlagen für die Auswahl sowie die Kulisse der Waldrefugien werden durch die Untere Forstbehörde im Vorlauf der Forsteinrichtung erarbeitet.

  • Informationen zu Artvorkommen sind bei der Auswahl von Waldrefugien ein entscheidendes Kriterium. Weitere Kriterien zur Auswahl von Waldrefugien sind das Bestandesalter, die Habitattradition und Bewirtschaftungsintensität, der Standort sowie die räumliche Lage und Vernetzung mit anderen alten oder besonders strukturreichen Waldteilen.

b) quantitativ

  • Landesweit wird die Ausweisung von Waldrefugien auf rund 3% der Staatswaldfläche angestrebt (10.000 ha bis 2020).


Sonstiges:

  • Für geschützte Arten, die vom Alt- und Totholzkonzept nicht profitieren, wie
    beispielsweise Arten offener Waldstrukturen, können unabhängig vom Alt- und Totholzkonzept wie bisher artspezifische Maßnahmen erforderlich sein.

Relevante Hintergrunddokumente:

  • Weitere Informationen zum Alt- und Totholzkonzept finden Sie auf den Informationsseiten der Abteilung Waldnaturschutz der FVA

  • Alt- und Totholzkonzept Baden-Württemberg (2016)

  • Einführungserlass vom 26.02.2010, Az. 52-8850.2

  • FFH-Richtlinie