26. August 2022 - Max Reger, Vorstandsvorsitzender von ForstBW: „Die Regenfälle der vergangenen Tage sind ein Segen für den Wald – aber sie helfen der Natur kurzfristig. Die massiven Dürreperioden schädigen unseren Wald langfristig. Wir müssen reagieren, die Wälder langfristig umbauen und uns perspektivisch an neue Waldbilder in Deutschland gewöhnen.“
„Die lang erwarteten Regenfälle und kühleren Tage haben zumindest in Teilen des Landes dafür gesorgt, dass die Waldbrandgefahr sinkt und die Bodenvegetation sich wieder erholen kann“, erklärt Max Reger. „Aber eine Dürreperiode, wie wir sie in diesem Sommer und jetzt bereits mehrfach seit 2018 erlebt haben, sorgt nicht nur für offensichtliche und kurzfristige Schäden am Wald. Vielen Bäumen sieht man erst im kommenden Frühjahr, oder sogar erst nach mehreren Jahren an, dass sie durch Dürre und Trockenheit dauerhafte und oft irreparable Schäden genommen haben.“
Dabei denken viele an die auffälligen Schäden an Fichten in anderen Bundesländern. „Glücklicherweise sind bei uns im Staatswald in Baden-Württemberg bisher derartige Katastrophen in größerem Umfang ausgeblieben. Das liegt vor allem daran, dass wir nur in wenigen Landesteilen noch größere ungemischte und einstufige Fichtenbestände vorfinden. Wir achten sehr darauf, möglichst mehrere geeignete Baumarten zu mischen. Trotzdem sieht man immer wieder abgestorbene Nadelbäume in den Himmel ragen“.
Die Böden trocknen vollkommen aus
Sorgen machen dem Forstexperten aber auch andere, eigentlich stabilere Baumarten. „Gerade die Buche, unsere häufigste und im Land prägende Laubbaumart zeigt immer deutlicher, dass sie mit solchen Trockenereignissen zu kämpfen hat. Sonnenbrand und vertrocknete Kronen sind ganz deutliche Anzeichen dafür, dass es den Bäumen zu heiß und zu trocken ist.“
Wenn wochenlang kein Regen vom Himmel falle, trocknen die Böden bis in die tiefsten Schichten aus. Dann können auch Baumarten mit tiefgreifenden Wurzeln kaum noch Wasser nach oben in die Kronen transportieren. Die Blätter verwelken noch am Baum und können keine Photosynthese mehr betreiben. „Wenn so etwas nur ein- oder zweimal im Jahrzehnt vorkommt, dann können gesunde Bäume diese Trockenjahre gut kompensieren und man erkennt den Mangel später nur noch an den schmalen Jahrringen im Holz“, beschreibt der Vorstandsvorsitzende. Treten solche Extremjahre allerdings öfter, oder mehrfach nacheinander auf, gehen auch vermeintlich gesunde und widerstandsfähige Bäume irgendwann zu Grunde.
Für den Klimawandel wappnen
„Wir müssen uns auch im vermeintlich wasserreichen Mitteleuropa darauf einstellen, immer häufiger mit solchen Dürreperioden konfrontiert zu werden. Deshalb legen wir von ForstBW großen Wert darauf, heimische Baumarten, die mit Trockenheit besser zurechtkommen, wie beispielsweise die Eiche oder die Elsbeere verstärkt in die Wälder einzubringen. Aber auch gut erforschte Baumarten beispielsweise aus dem Mittelmeerraum, wie die Esskastanie oder die Flaumeiche pflanzen unsere Forstwirtinnen und Forstwirte an den Standorten, an denen sie mehr Stabilität im Klimawandel versprechen“, erklärt Max Reger.
Natürlich finden solche Veränderungen nicht von heute auf morgen statt. „Im Wald dauert alles seine Zeit und der Umbau unserer Wälder hin zu klimastabilen Wäldern ist in der Tat eine Jahrhundertaufgabe, aber die positiven Effekte von durchdacht verjüngten Beständen können wir sehr schnell erkennen“.
Vom Klassischen Waldbild müsse man sich allerdings mancherorts verabschieden. Max Reger: „Ich bin zuversichtlich, dass dort, wo heute ein Wald steht auch morgen ein Wald stehen wird. Aber: Dieser Wald wird ein anderes Gesicht haben. Heller, lichter, mehr tote Bäume, mehrere Baumarten, kleinteiliger, niedriger und heterogener wird der Wald der Zukunft sein. Mit unseren klassischen Vorstellungen von Wald deckt sich dieses Bild nicht immer. Wo heute nadelholzdominierte Forste vorherrschen werden in 50 Jahren vielleicht junge Eichenwälder stehen, heutige Buchenalthölzer werden vielleicht bunter und mischbaumartenreicher sein. Aber sie werden Wald sein – mit all seinen wertvollen Leistungen für den Menschen.“
Zusatzinformationen:
Ein Video über Trockenschäden an Buchen finden Sie auf unserem Instagramkanal
Bewässerung: In manchen klimatischen Brennpunkten wie z.B im nördlichen Rheintal setzt ForstBW darauf, frisch gepflanzte Bäume zu bewässern, wenn zu befürchten steht, dass sie sonst nicht überleben. Allerdings darf man sich diese Bewässerung nicht wie im Gartenbereich vorstellen, wo jeden Abend gegossen wird. Maximal dreimal pro Sommer bekommen die jungen Bäume, vor allem Eichen Wasser. Und gerade genug, damit sie tiefe Wurzeln ausbilden können um im Jahr darauf selbständig überleben.
Baumarten: 55 verschiedene Baum- und Straucharten, insgesamt über 1,2 Millionen Bäume haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ForstBW im vergangenen Jahr in Baden-Württembergs Staatswäldern gepflanzt. Beispiele hierfür sind Ulme, Linde, Ahorne, Eiche, Tannen, Elsbeeren, Douglasien und Wildobstbäume. Aber auch Zedern, Tulpenbäume oder Platanen werden angepflanzt, um dem Klimawandel mit einem breiten Portfolio an Baumarten zu begegnen.
Baumpflege: Im Zusammenhang mit abgestorbenen Ästen und dürren Kronen gewinnt auch das Thema Baumpflege an Wichtigkeit. ForstBW führt derzeit ein Pilotprojekt durch, in dessen Rahmen ermittelt wird, ob Baumpflegemaßnahmen künftig mit eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt werden. Weiterführende Informationen finden Sie hier: ForstBW: Pilotprojekt Baumpflege - Schutz und Erhalt von straßenbegleitenden Bäumen
Wiederbewaldung: ForstBW forstet nicht nur Kahlflächen auf, sondern bringt junge Pflanzen bereits in geschlossene Bestände ein, damit die nächste Baumgeneration schon heute für den Fall der Fälle bereit ist: ForstBW: Den Klimawandel im Blick – Wiederbewaldung im Staatswald
Forsteinrichtung: Nur wenn wir die Strukturen und Verhältnisse in unseren Staatswäldern genau kennen, können wir die richtigen Entscheidungen bei der Auswahl der Baumarten treffen. Die Forsteinrichtung ist deshalb ein essenzielles Instrument: ForstBW: Die kommenden Generationen fördern – Waldinventur für mehr Baumartenvielfalt im Klimawandel
Über ForstBW
Die Anstalt öffentlichen Rechts Forst Baden-Württemberg (ForstBW) arbeitet seit dem 01.01.2020 als eigenständiges Unternehmen. ForstBW trägt die Verantwortung für die Bewirtschaftung von über 324.000 ha Staatswald - das entspricht einem Viertel der Waldfläche Baden-Württembergs- und ist damit der größte Forstbetrieb des Landes. ForstBW setzt sich zum Ziel ökologisch vorbildlich, sozial ausgewogen und ökonomisch erfolgreich zu arbeiten. Im Sinne des Waldes und der Menschen bildet das Prinzip der Nachhaltigkeit die Grundlage unserer Tätigkeit. Dazu tragen landesweit ca. 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei. Die naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung des Staatswaldes durch Forst Baden-Württemberg, AöR ist FSC® C120870 und PEFC zertifiziert. Seit dem 01. Oktober 2020 trägt ForstBW zudem das Gemeinwohl Ökonomie Zertifikat.